Die Auswirkungen der digitalen Bildung für Schüler und Studenten
Könnte die völlige Umstellung auf digitales Lernen der Bildung schaden?
Während viele Länder weltweit wieder einen Schritt Richtung Normalität gehen, kehrt auch die Welt der Bildung zu ihren früheren Arbeitsweisen zurück. In Großbritannien sind die jüngeren Kinder schon seit einiger Zeit wieder in der Schule. Die Lehrkräfte arbeiten hart daran, ihren Rückstand beim Lernen wieder aufzuholen. Aber viele Schulen, Universitäten und Weiterbildungseinrichtungen haben immer noch strenge Regeln für den Unterricht oder setzen weiterhin auf Online-Vorlesungen.
Neben dem Anschauen und Anhören von Unterricht und Vorlesungen auf einem kleinen Bildschirm müssen immer mehr Schüler und Studenten auf digitale Lehrbücher und multimediale Inhalte umsteigen. Dabei ergibt sich die Frage, ob ihre Bildung durch den Verzicht von gedrucktem Lernmaterial beeinträchtigt wird.
““Wir haben untersucht, wie sich die elektronische Kommunikation im Vergleich zum traditionellen Druck auf das Lernen auswirkt”, sagt Naomi Baron, Professorin für Linguistik an der American University in Washington DC. “Ist das Verständnis das gleiche, wenn ein Text auf dem Bildschirm oder auf dem Papier gelesen wird? Und ist das Hören und Betrachten von Inhalten genauso effektiv wie das Lesen des geschriebenen Wortes, wenn es um denselben Stoff geht? Die Antworten auf beide Fragen lauten oft „Nein“.“
Der Fokus-Faktor
Professor Baron hat gerade ihr neuestes Buch “How To Read Now” veröffentlicht. Darin beschreibt sie detailliert die Auswirkungen des Einsatzes verschiedener Medien auf das Lernen und erklärt, warum bestimmte Medien für bestimmte Lernaufgaben besser geeignet sind. Video und Audio werden schon häufig im Klassenzimmer genutzt – sie bieten eine Vielzahl an Vorteilen. Doch genau das tut Print auch:
- Besseres Erinnern von Details – B. Ereignisse und wo diese stattgefunden haben
- Besseres Verstehen – Studien zeigen, dass Schüler bessere Ergebnisse erzielen, wenn sie Kursmaterial in gedruckter Form lesen¹
- Bessere mentale Abstraktion – wie z. B. das Ziehen von Schlussfolgerungen aus einem Text
Neben dem quantitativen Nachweis, dass gedrucktes Material besser zum Lernen geeignet ist, ergaben die Untersuchungen von Professor Baron auch eine Vorliebe für Papier bei den Studenten selbst. Nach einer Befragung von über 400 Studenten in fünf Ländern über ihre Lesegewohnheiten ergab die Studie, dass 92 %, sich am besten konzentrieren, wenn sie in gedruckter Form lesen. Außerdem beurteilten die Befragten das Lesen auf Papier mit überwältigender Mehrheit als besser für die Konzentration, das Lernen und das Erinnern als das digitale Lesen.²
“Die Diskrepanzen zwischen gedruckten und digitalen Ergebnissen hängen teilweise mit den physikalischen Eigenschaften von Papier zusammen”, sagt Professor Baron. “Bei Papier gibt es ein wortwörtliches Handauflegen, zusammen mit einem visuellen Faktor. Menschen verknüpfen ihre Erinnerung an das Gelesene oft damit, wie weit sie in das Buch hineingeschaut haben oder wo es auf der Seite war.”
Neue Verbindungen schaffen
Während die Verbindung zwischen den Sinnen zweifellos ein Hauptgrund ist, warum Print weiterhin besser für die Bildung ist, spielt auch die Frage der besseren Konzentration eine Rolle. Die Lesbarkeit von Texten in gedruckter Form wurde über Jahrhunderte hinweg verfeinert, um so einfach und zugänglich wie möglich zu sein. Die Schriftart, die Zeichengröße, der Abstand zwischen den Zeilen – alles ist ideal für die Verarbeitung durch den menschlichen Verstand.
Bei Lehrbüchern kann die Möglichkeit, schnell durch die Seiten zu blättern und Querverweise auf Wörter, Aussagen und Abschnitte zu finden, auch wichtige Verbindungen herstellen, die Ideen oder neue Denkweisen hervorrufen. Wenn man das dauerhafte Potenzial von Printmedien, Inspiration und Erkenntnisse zu liefern, mit den Ablenkungen durch Online-Inhalte und der Versuchung zum Multitasking vergleicht, sollte Print einen festen Platz auf dem Lehrplan haben.
Quellen
1: Effects of Processing Time on Comprehension and Calibration in Print and Digital Mediums, Singer Trakhman, Alexander & Berkowitz, 2017.
2: The persistence of print among university students: An exploratory study, Baron, Calixte, Havewala, 2017.