Die Vorteile des kreativen Schreibens
Das Schreiben ist ein Teil des täglichen Lebens. Ob es darum geht, seine Gedanken in ein Tagebuch zu schreiben, einen Brief an einen Freund oder eine Freundin zu schicken oder einfach nur eine Einkaufsliste zu notieren: Schreiben ist eine zielgerichtete Art und Weise, um organisiert zu bleiben, geistig angeregt zu werden und mit sich selbst und seinen Mitmenschen in Verbindung zu bleiben. Neben dem Aufschreiben von Aufgaben oder Besorgungen kann aber insbesondere das emotionale Schreiben eine wirksamste Methode sein, um für geistiges Wohlbefinden zu sorgen.
In den letzten zehn Jahren haben verschiedene Studien die positiven mentalen und verhaltensbezogenen Auswirkungen des Schreibens bestätigt. Eine dieser Studien, die von Stefanie Spera, Eric Buhrfeind und James Pennebaker durchgeführt wurde, konzentrierte sich auf eine Gruppe von Ingenieuren, die von einer IT-Firma entlassen worden waren und daraufhin eine andere Arbeit suchten. Diese Ingenieure wurden in drei Gruppen eingeteilt. Die erste Gruppe unternahm bei ihrer Arbeitssuche nichts Ungewöhnliches. Die zweite Gruppe erledigte täglich praktische Schreibarbeiten, wie z.B. das Schreiben von Listen für Zeitmanagement und von Zielkarten. Die dritte Gruppe schrieb zusätzlich jeden Tag auf eine emotionale Weise über ihre Gedanken und Gefühle bezüglich des Arbeitsplatzverlustes und ihres gegenwärtigen gesundheitlichen Zustands. Innerhalb der ersten drei Monate dieser Studie gab es bei der ersten Gruppe keine Fortschritte bei der Jobsuche, bei der zweiten Gruppe fanden immerhin 5% und in der dritten Gruppe sogar 26% eine neue Beschäftigung.
In den Berichten von Psychology Today hieß es: “Emotionales Schreiben wirkte vor allem positiv auf die Qualität der Arbeitssuche. Die Ingenieure, die ihre Gedanken und Gefühle über den Verlust ihres Arbeitsplatzes aufgeschrieben haben, empfanden weniger Ärger und Feindseligkeit gegenüber ihrem früheren Arbeitgeber. Sie berichteten auch, dass sie weniger Alkohol trinken. Acht Monate später waren weniger als 19% der Ingenieure in der ersten und zweiten Kontrollgruppe wieder vollzeitbeschäftigt. In der dritten Gruppe hatten dagegen mehr als 52% der Ingenieure wieder eine Beschäftigung. [1]. Diese Studie hebt den immensen positiven Einfluss hervor, den das emotionale Schreiben auf die Einstellung der Personen auf ihre negativen Umstände und ihre Motivation für Verbesserungen hatte.
Seine persönlichen Emotionen zu beschreiben, kann jedoch ziemlich schwierig sein, insbesondere wenn man sich unfähig fühlt, seinen emotionalen Zustand in die richtigen Worte zu fassen oder sich einen eher schlechten Zustand einzugestehen.
Aber in welcher Lage ihr euch auch befindet: Nehmt euch doch einfach ein Blatt Papier und einen Bleistift. Wenn die Worte dann noch nicht von allein kommen, kann die Seite bemalt oder bekritzelt werden, bis die Inspiration kommt. Das Schreiben auf einem Blatt Papier statt auf einem Computerbildschirm sorgt übrigens bei den meisten für mehr Kreativität und einen besseren Ausdruck. Viele fühlen sich auch beruhigter und geerdeter beim Schreiben mit physischem Material. Mit einem Bleistift zu schreiben bedeutet auch, dass man das Geschriebene leicht ausradieren kann – es gibt keine automatisch gespeicherten Kopien oder versehentliche Weiterleitungsoptionen, um die man sich Sorgen machen sollte. Wenn man abschließend über eine schlimme Begebenheit schreibt, kann man das Papier hinterher sogar verbrennen, was sogar ein metaphorisches Ende für einen schlechten Geisteszustand darstellt.
Einen Notizblock oder ein Tagebuch zu haben, ist auch eine großartige Möglichkeit, seine Gedanken und Gefühle aufzuschreiben und zu reflektieren. Da sie von praktischer Größe sind, lassen sie sich leicht überallhin mitnehmen. Wenn man sich dann zu irgendeinem Zeitpunkt des Tages außergewöhnlich gestresst oder ängstlich fühlt, kann das Aufschreiben einiger Gedanken und Gefühle dazu beitragen, sich zu entspannen und wieder zu konzentrieren. Und wer noch einen Schritt weiter gehen möchte, kann es sogar mit Bullet Journals versuchen. Diese ermöglichen einen persönlicheren und strukturierteren Schreibstil und erlauben es außerdem, Abschnitte sowohl für praktische Zwecke wie Listen und Fortschrittsdiagramme als auch für kreatives Zeichnen und freies Schreiben hinzuzufügen.
In einem Gespräch mit Kimberley Castlemain, der Autorin des Gedichtbandes Poise & Arrows, verriet sie, wie ihre persönliche Poesie ihr durch ihre eigenen Nöte half. „2017 war das schwierigste Jahr meines Lebens. Ich erlebte eine Scheidung, einen Raubüberfall und musste fünf Mal umziehen. Ganz plötzlich begann ich am Ende des Jahres, Gedichte und ganze Gedichtbände zu schreiben, als hätte man einen Hahn aufgedreht. Die Poesie war mein Ventil für diese schwere Zeit und dementsprechend spiegelten die Gedichte dies wider. Sie waren größtenteils traurig und tiefsinnig. Aber seit mein Leben sich wieder beruhigt hat und ich wieder Freude am Leben habe, schreibe ich über alles Mögliche. Ich muss nicht verletzt oder traurig sein, um Gedichte zu schreiben, ich kann glücklich und geerdet sein, und in diesen Fällen finde ich überall Inspiration”.
Kimberley beschrieb uns auch ihre eigenen Methoden, wie man zu ausdrucksstarkem und emotionalen Schreiben gelangt. „Ich schreibe immer mit der Hand. Wenn ich nach Inspiration suche, schreibe ich meine alten Gedichte um, das hilft, mich wieder mit ihnen zu verbinden. Ich unterstütze außerdem meine Schriftstellerkollegen, indem ich ihre Gedichtbücher bestelle und mit viel Hingabe lese. Dadurch habe ich so viele interessante und gefühlsbetonte Schreibstile kennengelernt, die mich sehr inspiriert haben. Die größte Inspiration kommt aber durch das Leben selbst: Sobald man wirklich lebt, neue Dinge kennenlernt, aufgeschlossen und präsent in der Welt wandert, gibt es immer etwas, über das man schreiben kann. Ich habe viele Gedichte über Dinge geschrieben, die mir auffallen, wenn ich einfach bewusst lebe.“
Kimberley Castlemain kann auf Instagram auf @kimberley.poetry gefunden werden
[1] Grant, Adam. “Die Macht der Feder”: Förderung von Glück, Gesundheit und Produktivität”. Psychologie heute. 29. Mai 2013.